Künftig sollen Schulen selbst entscheiden können, wie sie den Deutschförderunterricht gestalten. Das bisherige Modell habe nicht ausreichend funktioniert, räumte Bildungsminister Christoph Wiederkehr ein.
Mehr Autonomie für Schulen
Nach jahrelanger Kritik aus Praxis und Wissenschaft wird das System der Deutschförderklassen reformiert. Ab dem kommenden Schuljahr sind Schulen nicht mehr verpflichtet, eigene Förderklassen für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen einzurichten. Sie dürfen stattdessen ein integratives Modell wählen und die Schülerinnen und Schüler im Klassenverband unterrichten.
Der Ministerrat beschloss die Änderung am Mittwoch. Ziel sei es laut Wiederkehr, die Schulautonomie zu stärken, den umstrittenen Mika-D-Test zu reformieren und die Regeln für Klassenwiederholungen zu lockern.
„Die Schulen wissen am besten, wie Sprachförderung funktioniert“, so Wiederkehr. Mit zusätzlichen Planstellen, Ressourcen und mehr Eigenverantwortung wolle man eine Trendwende einleiten.

Hintergrund: Kritik seit Einführung 2018
Die Deutschförderklassen wurden im Schuljahr 2018/19 unter der türkis-blauen Regierung eingeführt. Kinder, die den Mika-D-Test nicht bestehen, gelten als „außerordentliche Schüler:innen“. Sobald mehr als acht solcher Kinder an einer Schule sind, muss laut geltender Regelung eine eigene Förderklasse eingerichtet werden – mit 20 Stunden Sprachunterricht pro Woche.
Im Schuljahr 2025/26 waren rund 46.000 Kinder betroffen, die meisten davon in Wien. Kritiker bemängeln seit Jahren, dass die Trennung vom Regelunterricht Ausgrenzung fördert und den Spracherwerb sogar verlangsamt.
Bereits als Wiener Bildungsstadtrat hatte Wiederkehr die Abschaffung des Systems gefordert. Auch eine Evaluationsstudie bestätigte, dass Lehrkräfte und Schulleitungen sich mehr Flexibilität wünschen. Die neue Regierungskoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS hat die Reform nun möglich gemacht.
Das neue Modell
Künftig können Schulen frei entscheiden, ob sie an Deutschförderklassen festhalten oder ein integratives Förderkonzept anwenden. Die Ressourcen bleiben unabhängig von der Entscheidung gleich. Das Ministerium plant zudem eine wissenschaftliche Begleitevaluation.
Auch der Mika-D-Test wird überarbeitet. Laut Wiederkehr soll er „treffsicherer“ werden. Statt zwei Testungen pro Jahr wird künftig nur noch einmal jährlich geprüft – um den Verwaltungsaufwand für Lehrkräfte zu verringern. Ein zusätzlicher Test ist bei deutlichen Lernfortschritten weiterhin möglich, da er über den Wechsel in die Regelklasse entscheidet.
Außerdem dürfen Kinder künftig auch mit negativem Testergebnis in die nächste Schulstufe aufsteigen, wenn die Schulkonferenz zustimmt. So sollen Laufbahnverluste verhindert werden, die im alten System häufig auftraten.
Unterschiedliche Reaktionen
Die FPÖ kritisierte die Reform scharf. Bildungssprecher Hermann Brückl sprach von einer „Aufweichung“ des bisherigen Modells und warnte, der Regelunterricht werde durch die Integration von Förderkindern beeinträchtigt. Das Schulsystem sei wegen der rund 50.000 außerordentlichen Schüler „längst kollabiert“.

Lob kam dagegen von den Grünen. Bildungssprecherin Sigrid Maurer begrüßte, dass die Regierung die Ergebnisse der von ihrer Partei initiierten Evaluierung aufgreife. Gleichzeitig kritisierte sie, dass der Minister beim Ausbau der Deutschförderkräfte hinter den Versprechen zurückgeblieben sei – von 750 angekündigten Stellen seien bislang nur 285 besetzt worden.
Auch die Industriellenvereinigung (IV) und die Arbeiterkammer (AK) begrüßten die Reform. Die IV hob die geplante Qualitätssicherung hervor, während die AK auf bessere Sprachförderung und Entlastung im Schulalltag hofft. Beide betonen jedoch den weiteren Bedarf an qualifiziertem Förderpersonal.

