Geopolitischer Druck und Krypto-Offensive aus den USA setzen Europa unter Zugzwang. Kann der neue europäische Zahlungsdienst „Wero“ den Rückstand aufholen?
Der Zahlungsdienst Wero hat das Potenzial, als europäische Alternative zu etablierten Anbietern wie PayPal und Mastercard zu fungieren. In Anbetracht geopolitischer Spannungen und der zunehmenden Dominanz amerikanischer Unternehmen im Finanzsektor stellt sich die Frage, ob dieser neue Dienst eine Lösung für die Abhängigkeit Europas von US-Zahlungsanbietern bieten kann.
Wero ist noch relativ unbekannt, insbesondere in Österreich. Der Name setzt sich aus „we“ (wir) und „Euro“ zusammen und repräsentiert ein Bezahlsystem, das von einem Bankenverbund ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, eine einheitliche europäische Zahlungsinfrastruktur zu schaffen. Die Wero-App hat bereits über 43 Millionen registrierte Nutzer in den teilnehmenden Ländern. Nutzer können wie bei PayPal Geldbeträge in Echtzeit über E-Mail oder Handynummer an andere Personen senden. Zukünftig soll Wero auch beim Online-Shopping und im stationären Handel zur Anwendung kommen.

Geopolitische Abhängigkeiten
Die Corona-Pandemie hat das wirtschaftliche und soziale Leben stark in den digitalen Raum verlagert. Der Anteil an Online-Zahlungen im Euroraum hat sich seit 2019 verdreifacht und macht mittlerweile etwa ein Fünftel aller Transaktionen aus. Während in Österreich nach wie vor mehr als die Hälfte der Zahlungen bar erfolgen, steigt die Nutzung kontaktloser Zahlungsmethoden stetig an. Allerdings laufen fast alle kontaktlosen Zahlungen über die beiden US-Unternehmen Mastercard und Visa, die zusammen 98 Prozent der bargeldlosen Transaktionen in Österreich abwickeln.
Diese Abhängigkeit von US-Anbietern birgt Risiken. Da diese Unternehmen unter US-Recht stehen, können sie theoretisch durch politische Entscheidungen gezwungen werden, Zahlungen zu sperren oder ihre Dienste einzuschränken. Petia Niederländer, Direktorin der Hauptabteilung Zahlungsverkehr der Österreichischen Nationalbank, weist darauf hin, dass bereits eine Androhung von Sanktionen die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union unter Druck setzen könnte. Zudem besteht das Risiko gezielter Cyberattacken auf die kritische Zahlungsinfrastruktur der USA, die auch europäische Nutzer betreffen könnten.
Ein weiteres Problem ist die wachsende Bedeutung von Stablecoins, digitalen Währungen, die an reale Währungen gebunden sind. Diese könnten dazu führen, dass immer mehr Transaktionen über US-Stablecoins abgewickelt werden, was den Euro im internationalen Vergleich schwächt. Experten warnen davor, dass dies zu einem Abfluss europäischen Kapitals in die US-Wirtschaft führen könnte und die wirtschaftliche Unabhängigkeit Europas gefährdet.
Um dem entgegenzuwirken, werden bereits europäische Stablecoin-Varianten diskutiert. Experten sind sich einig, dass es an der Zeit ist, europäische Zahlungsalternativen wie Wero zu entwickeln. Die Österreichische Nationalbank unterstützt diesen Schritt, sieht aber auch die Notwendigkeit, sich auf neue Entwicklungen und potenzielle Bedrohungen vorzubereiten.
Ein wichtiger Aspekt der zukünftigen europäischen Finanzinfrastruktur ist der geplante Digitale Euro, der eine digitale Form von Bargeld darstellen soll. Dieser wird als gesetzliches Zahlungsmittel angedacht, das unabhängig von Banken genutzt werden kann. Während die Österreichische Nationalbank den Digitalen Euro als sinnvolle Ergänzung zu europäischen Zahlungsdienstleistern wie Wero sieht, äußern Privatbanken Bedenken hinsichtlich der bürokratischen Komplexität und der möglichen negativen Auswirkungen auf die Kreditvergabe.
Die Diskussion um den Digitalen Euro zeigt, dass es unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wie die europäische Zahlungsinfrastruktur gestaltet werden sollte. Während die Notenbanker auf die geopolitische Bedeutung des Euros hinweisen, warnen Vertreter der Privatwirtschaft vor den Risiken einer digitalen Währung, die Kapital aus dem Bankensystem abziehen könnte.
Die Einführung des Digitalen Euro wird voraussichtlich bis Ende des Jahrzehnts in Anspruch nehmen. Wero hingegen könnte schneller in Österreich umgesetzt werden. Interesse zeigen bereits mehrere österreichische Privatbanken, die eine Zusammenarbeit in Betracht ziehen. Es bleibt abzuwarten, ob die europäische Bevölkerung bereit ist, neue Zahlungsdienstleister zu akzeptieren, da die Konkurrenz aus den USA stark und etabliert ist. Dennoch könnte Wero eine Chance sein, die Abhängigkeit von US-Anbietern zu verringern und die europäische Zahlungslandschaft neu zu gestalten.
